Manchmal duldet das Schreiben keinen Aufschub :
Eigentlichg gibt es noch viel von unserer Fahrt von Kuressare über Kiuvatsu nach Dirhami zu berichten, aber jetzt, noch 15 SM vor Tallinn taucht bei “Pol zu Pol”-Sicht und zwischenzeitlich ruhigem Wasser fast plötzlich Tallinn am Horizont auf…! Vielmehr schweben Kirchen und Hochhäuser von Tallin gleichermaßen über dem Wasser am Horizont und lösen die bisherige Naturküste mit Wald und Steilküste ab.
Auf der ganz rechten Seite fahren wir in das “Verkehrstrennungsgebiet”vor Tallin, eine Art Autobahn mit vorgeschriebenen Fahrtrichtungen ein und werden diesem, gut betonnt bis in die “Old City Marina” folgen.
Bevor man dort hinein darf, muss man das Fährschiff- und Kreuzfahrtterminal passieren/kreuzen und darum ist es erstmals in Estland erforderlich und vorgeschrieben, sich über Funk anzumelden und die Genehmigung einholen.
Die “Old City Marina” liegt, wie der Name schon sagt, unmittelbar am Stadtzentrum und an der Altstadt, alle anderen Marinas liegen außerhalb Tallinns oder nicht fußläufig vom Zentrum entfernt, und das ist nicht schön, wenn man in Tallinn ist und es wie Danzig und Riga “erleben und erlaufen” will…
Diese “Pole Position” lässt sich die Marina mit vierzig Euro pro Tag “vergolden”, die teuerste Liegeplatzgebühr, die ich je in meinem Leben bezahlen musste…! Egal, wenn schon denn schon, hat sich doch in Danzig und Riga herausgestellt, dass man die Stadt nur richtig wahrnehmen kann, wenn man sie zu jeder Stunde des Tages einmal erlebt und wir wollen sie erleben und dazu nicht auf Bus oder Taxe angewiesen sein…
Tallinn kommt näher, immer mehr Einzelheiten werden sichtbar und das ganze wird wieder einmal von ” Kaiserwetter” gekrönt…!
Jetzt muss ich aufhören zu schreiben, es gibt zu viel zu sehen !
So war es vor einigen Tagen, es duldete keinen Aufschub !
Auch jetzt, zwischenzeitlich in in Helsinki angekommen, möchte ich alles direkt “aus dem Bauch heraus” gleich aufschreiben, um mich später noch besser und realistischer an das Erlebte zu erinnern als ich es ohnehin schon werde; allein es fehlt die Zeit und mittlerweile mutet der Lauf derselben an wie das morgendliche Weckerklingeln in “Nichturlaubszeiten” : Eben noch mal umdrehen und nach fünf Minuten ist eine halbe Stunde vergangen, mit dem Unterschied, dass hier ganze Tage auf diese Weise “verschwinden”…!
Um es vorweg zu nehmen : Unsere Überlegungen, Helsinki aus Zeitgründen von der Route zu streichen haben wir verworfen und zwischenzeitlich sind wir den fünften Tag in Helsinki und sind sehr froh, dass wir unsere Überlegungen “storniert” haben, Helsinki ist fantastisch und hebt sich wohltuend, frisch und weltoffen von den “Backsteinerlebnissen” der letzten Wochen ab !
Nicht das uns Danzig, Riga und Tallinn nicht sehr gut gefallen hätten, es ist vielmehr wieder eine ganz andere “Lebensart”, Kultur, wie auch immer man es beschreiben soll, die Helsinki auszeichnet und abhebt. Auch wenn wir nicht gewusst hätten, was wir auslassen, aus jetziger Sicht wäre es unverzeihlich gewesen…!
Doch der Reihe nach :
Von Kurressare sind wir über Kuivastu und Dirhami bei schönstem Wetter nach Tallinn gefahren.
Kuivastu auf der Insel Muhu war, wie Dirhami am Eingang zum “Gulf of Finland”, jeweils ein “reiner” Zwischenstopp auf dem Weg nach Tallinn.
Nichtsdestrotz präsentieren sich beide Häfen als angenehm : Kiuvastu als umtriebiger Fährhafen, über den der gesamte Fährverkehr nach Saareema läuft, gleichwohl mit einem kleinen Hafenbecken für Sportboote und ausschließlich natürlicher Umgebung, der eigentliche Ort ist drei Kilometer entfernt.
Wir beschränken uns auf “rumlaufen”, finden es “interessant”, das auch in so einem Hafen ständig eine Sauna für die Hafengäste “unter Dampf” ist und die Frage nach der Sauna auch die erste der schwedischen und finnischen Bootsbesatzungen ist…
Wir kommen mit einem “alternativ” wirkenden Paar des vor uns liegenden “etwas anderen” schönen deutschen Segelschiffes ins Gespräch, der Skipper leiht unsere Karten aus um seine zu aktualisieren und versorgt uns nett dozierend mit “Informationen zum Revier”…
Nach eine ruhigen Nacht brechen wir früh bei ruhigem, sonnigem Wetter mit dem Tagesziel Dirhami auf. Haapsalu wollen wir aus Zeitgründen und auch aufgrund eines “komischen” engen, widersprüchlich betonnten Fahrwassers auslassen, auch wegen der in allen Hafenführern erwähnten Streitigkeiten zweier Marinas um die Gäste – die uns später auch bestätigt werden-.
Vor Haapsalu führt der Kurs ebenfalls durch ein eng, aber gut betonntes Fahrwasser, das wir nördlich von Haapsalu in Richtung “Gulf of Finland”, auf deutsch “Finnischer Meerbusen”, verlassen. Entsprechend der Wettervorhersage, nur deutlich ausgeprägter, erwartet uns dort bald ziemlich heftiger Wind und Welle von vorne und das Fahren wird “sportlich”, da uns die Gischt ganz schnell das ganze Cockpit völlig nass macht.
Das Einknöpfen des vorderen Verdeckteiles gestaltet sich bei diesen Bedingungen, kaum das man sich auf den Beinen halten kann, schwierig und nass, gelingt aber nach einiger Zeit. Trocken geht die Fahrt bei zunehmendem Wind, der mir etwas Sorge macht, weiter und gegen späten Nachmittag erreichen wir die auf dem Plotter eingegebene “Safewater”-Tonne von Dirhami.
Durch ein grün-rotes Tonnenpaar, rechts und links gesäumt von schäumenden Felsen, geht es hinein in den Hafen, der im wesentlichen nur aus einer Mole besteht, an der wir anlegen.
Hilfe erhalten wir dabei von der Crew der Segelyacht “Ruby Tuesday”, die uns freundlich mit “Die Else aus Riga…!” begrüßt. Dort waren wir erstmal mit den beiden, Ute und Peter, ins angenehme Gespräch geraten und so freuen wir uns, uns unerwartet wiederzusehen. Die schön beschriebene, Reise der beiden lässt sich unter syrubytuesday.wordpress.com verfolgen.
Wir sind froh, Dirhami erreicht zu haben, nimmt doch der Wind heftig zu und die Wellen brechen sich gischtend an der Aussenseite der Mole und versorgen uns mit “Spray”…
Wir laufen noch ein bisschen in der schönen Umgebung des “ortlosen” Hafen herum, Wald, Strand und Natur pur lassen trotz des stürmischen Windes die etwas wackelige Anreise schnell vergessen.
Die Nacht wird unruhig : Obwohl wir mittlerweile Spezialisten im Vertäuen und “Fendern” sind, schwellt und wummert es, vor uns müht sich “Ruby Tuesday” und hinter uns ein großes Stahlschiff, die richtige Leinenlänge und Position zu finden…
Ziemlich vergebens, selbst liegend in der Koje rollt man hin und her…In den frühen Morgenstunden versuche ich es mit etwas längerer Vorleine, was tatsächlich wider Erwarten zu einem Teilerfolg führt, es ruckt nicht mehr, es “schwellt” nur noch…!
Es gibt deutlich belastbarere Zeitgenossen : Noch bevor wir Schlafen gehen, kommt bei bösem Wind und Welle ein nur wenig mehr als fünf Meter langes Segelbötchen unter deutscher Flagge mit Aussenborder in den Hafen “gesurft”, gesteuert von einem einzigen Menschen mit kurzen Hosen und auch sonst eher dürftiger Austattung.
Und am Morgen liegt hinter uns – um vier Uhr war es noch nicht da – ein kleines russisches Segelboot mit Aussenborder aus St. Petersburg, auf dem ein Mensch sämtliche Klamotten einschliesslich Schlafsack zum Trocknen aufhängt und mit Schwamm und Eimer hantiert und nicht unerhebliche Mengen Wasser aus dem nach hinten offenen Segelboot befördert…
Wir bieten dem Russen einen Kaffee an, den er irgendwie ganz höflich ablehnt…
Kurze Zeit später glauben wir den Grund für seine Ablehnung zu erkennen :
Er ist nicht allein ! Auf dem Boot tummeln sich auf einmal fünf Erwachsene und ein Kind, der den Kaffee Ablehnende bietet Uli noch freundlich Hilfe beim Erklimmen der Pier an und kurze Zeit später bricht das Schiffchen wieder auf in die immer noch ziemlich kabbelige See…!
Neben gehörigem Respekt stellt sich das Gefühl ein, dass wie Memmen sind, macht mir doch das Wetter, in das sich andere ganz unbefangenen begeben, “manchmal immer” durchaus Gedanken, wenn nicht gar Sorge…! Vielleicht sind die anderen auch ein bisschen leichtsinnig oder zu unbefangen, zumindest teilen auch unsere “Seglerbekanntschaften” diese Meinung…
Eine Stunde nach den Russen aus St.Petersburg brechen auch wir auf und die Welle ist immer noch gut genug, um meinen “Seaman” einige Stunden grün werden zu lassen…
Nach einigen Stunden kommt Backbord voraus ein Segelschiff in Sicht, welches sich – über Funk angesprochen- wie erwartet als die “Ruby Tuesday” herausstellt, die einige Zeit vor uns aufgebrochen war…
Wir nehmen weiter Kurs auf Tallinn, während “Ruby Tuesday” zunächst die Tallinn vorgelagerte Insel Naissaar als Tagesziel hat.
Die Stimmung, die uns vor Tallin einfängt, ist am Anfang dieses Posts wiedergegeben…!
Bald danach laufen wir in den “Old City Harbour” in Tallin ein und bekommen vom am Pier gestikulierenden Hafenmeister einen Liegeplatz unweit der Tankstelle zugewiesen, was wir seit der Danzig-Erfahrung mit der “Marina Lotus” irgendwie als vertraut empfinden…
Tallinn kann beginnen..!
Mehr dazu und zu dem überaus liebenswerten Helsinki, in dem wir derzeit bei strahlendem Sonnenschein und skandinavischem Himmel und Licht besseres, vielmehr windstilleres Wetter, “in bester Lage” abwarten, später…
Ein paar Eindrücke, die wie immer nur einen Bruchteil des Erlebten wiedergeben können…: :