Die derzeitige Standardüberschrift vor jedem neuen Post :
„Einmal mehr hängt die “Reiseberichterstattung” hier dem tatsächlichen Verlauf unserer Reise, wenngleich sie nicht wirklich schnell ist, hinterher:“
Am letzten Tag in Uddevalla wird der Liegeplatz noch etwas rummelig: Neben uns, auf einer “Stegplattform” tummelt sich ab Mittag eine schwer einzuordnende, sich langsam betrinkende Gesellschaft: Zuerst vier Männer, einer ein bisschen “ranzig”, die anderen “optisch einwandfrei”, ziehen sich ein Bier nach dem anderen rein und verstecken die Dosen fein säuberlich unter der Zugangsrampe auf den Steg.
Mit zunehmendem Biergenuss palavern sie lauter, entsorgen das aufgewärmte Bier dann auf der Toilette des Sanitärgebäudes, für das sie den Zugangscode haben.
Im weiteren Tagesverlauf gesellen sich zwei eher gepflegte Damen dazu, beide mit dem Fahrrad anreisend, die eine mutet an wie die Bewährungshelferin für einen Teil der Kerle oder eine Streetworkerin…
Man umarmt sich, trinkt gemeinsam weiter, weitere stoßen zu der Gruppe hinzu, schließlich irgendwann ein etwas abgefuckter jüngerer Mensch mit einer großen Bluetoothbox, mit der er dann den Steg beschallt.
Die Frequenz der Benutzung des WC Raumes nimmt stetig zu, irgendwann machen sie die Tür zur Herrentoilette auf, kommen eher angewidert raus und gehen halt auf die Damentoilette…!
Einer der später hinzugekommenen Teilnehmer der Session duscht erst stundenlang im Sanitärgebäude, nimmt dann Anlauf und springt mit lautem Hurra auf schwedisch in den Fluss!
Nach ein paar Runden schwimmen kommt er augenscheinlich wie neu geboren aus dem Wasser, trocknet sich dürftig ab und zieht sich über die nasse Unterhose seine Klamotten wieder an!
Einige Zeit später guckt er und ein hagerer Kumpel immer wieder zu uns rüber, schließlich überwinden sich die Beiden und der hagere erklärt wortreich auf englisch was ich für eine schöne “Nimbus” hätte, obwohl die ELSE doch eine “Bavaria” ist, wie der direkt vor ihm stehende große Schriftzug verkündet…
Er erklärt sein Anliegen, nämlich das sein Freund nach dem Bad jetzt kalt sei und ob wir etwas Alkohol zum Verkaufen hätten, damit seinem Freund wieder warm wird…!
Irgendwie verunsichert mich die Situation etwas und ich gebe ihm zwei Carlsberg – Dosen…
Der frierende Schwimmer fasst in seine Hosentasche und holt ein großes Bündel Geldscheine heraus und will die Dosen bezahlen…
Erst nach einer kurzen Diskussion, dass die Dosen ein Geschenk der deutschen Touristen sind, gibt er nach und beide drücken herzlich meine Hand und begeben sich wieder auf die Stegplattform…
Das Treiben hält noch bis in die Abendstunden an, zurück bleibt der Bass-Bluetooth-Boxen-Besitzer und schallt noch einige Zeit vor sich hin..
Irgendwann wird es ihm alleine zu langweilig, auch er verlässt den Steg und sein Weg zurück in die Stadt kann man anhand seiner wummernden Bassbox noch lange verfolgen…!
Bei mir kehrt etwas Entspannung ein, ich mag solche Situationen nicht wirklich, mutmaße immer gleich irgendwelche Konflikte, denen ich mich zumindest im Urlaubsmodus ungern stellen mag…
Irgendwie denken wir noch einige Zeit über diese “gemischte Gesellschaft” nach und finden keine wirkliche Erklärung: obdachlos, arbeitslos, Aussteiger, Bewährungshelfer, Streetworkerin? Keine Ahnung!
Man weiß es nicht…
Das Rätsel bleibt ungelöst und meine mit der „Veranstaltung“ einhergehende Anspannung unbegründet, weil alle Teilnehmer friedlich waren und selbst mit den alkoholbedingt zum Ende der Veranstaltung eingeschränkten Kommunikationsressourcen zum keinen Zeitpunkt aggressiv oder übergriffig waren, im Gegenteil, sich ergebende “Blickkontakte” oder der Gang zum Klo an der Else vorbei waren jeweils mit einem “Hej Hej” verbunden…
Manches im Leben erschließt sich mir einfach nicht wirklich…
Am nächsten Morgen brechen wir bei schönstem, nahezu windstillen Wetter in Richtung Källviken auf.
Nach wenigen hundert Metern machen wir zunächst einen Zwischenstopp an der Bootstankstelle von Udevalla, die sich dadurch auszeichnet, dass der Tankvorgang nicht über einen Automaten mit der Bankkarte ausgelöst werden muss, sondern durch einen spätpubertären, etwas unsicheren und lustlosen wirkenden Jüngling, der die Pumpe in Betrieb setzt und dann beim Tanken zuguckt bzw. in sein Handy vertieft ist…
Wir tanken 301 Liter zum stolzen Preis von 2,70 €, damit ist ELSE`s Tank erstmal voll und das wird, zumindest ohne Reserven, theoretisch bis zurück nach Kappeln reichen…
Hinaus geht es in den Byfrorden, wir passieren erneut die imposante Autobahnbrücke der E65 und nur kurze Zeit später geht es steuerbords in den Ängösund, der Anfang des engen und kurvigen natürlichen „Schärendurchstiches“ zwischen Koljöfjord und Gullmarn-Fjord !
Was für eine Landschaft und Durchfahrt !!
Zwischen flachen, gerade eben nicht überspülten Felsen auf der Steuerbordseite und steil, zum Teil schräg über das Fahrwasser ragende Schärenfelsen, die gefühlt das „Lichtraumprofil“ einschränken, geht es kurvig durch nur etwa zehn Meter breiten Engstellen !
Die Wasseroberfläche signalisiert deutliche Strömung im „Engpass“, einem vor uns sehr langsam fahrender Segler wird tatsächlich das Heck von der Strömung weggedrückt und gibt er hektisch Gas und steuert gegen.
Der Fahrwasserverlauf wechselt ständig massiv die Richtung, den Autopiloten habe ich deaktiviert, weil das “Autorouting” die Wegpunkte manchmal nur wenige Meter voneinander entfernt gelegt hat, so schnell ist der Richtungswechsel des Fahrwassers!
Permanent hätte ich sonst die Wegpunkte bestätigen müssen, es ist anstrengend, aber trotzdem einfacher, dem Fahrwasser „händisch“ anhand der Betonnung und sonstiger Hinweise und Markierungen zu folgen!
Uli fotografiert wie verrückt, ich nur zeitweise, da man wirklich sehr aufpassen muss, zumal hier heute offensichtlich alle diese schöne Strecke genießen wollen und es zahlreiche Entgegenkommer, aber auch nachfolgende Schiffe gibt!
Dafür hält meine GoPro auf dem Geräteträger die Fahrt in 4K fest und die erste Sichtung der Videos ist vielversprechend! Bevor sie in diesen Blog kommen wird aber noch einige Zeit mit der häuslichen Bearbeitung vergehen…!
Irgendwann ist dann dieser schöne “Spuk” vorbei und schon bald erreichen wir die Straßenbrücke, an deren Fuß die “Marina Fantasie” liegt, wo wir einen Liegeplatz gebucht haben.
An der hölzernen Pier, an der unser Liegeplatz gebucht ist, hat gerade ein kleines Sportboot angelegt und die Kommunikation mit dem Fahrer bleibt ergebnislos, dafür kommt eine Mitarbeiterin aus dem Hafenbistro “Wilmas Brygga” heraus und deutet mir an, dass ich mich an eine Stelle legen soll, wo ich so rein optisch die nahende Rückkehr eines Fischerbootes vermutet hätte…
Wir “fädeln” uns in die Lücke und machen fest.
Die Straßenbrücke unweit des Liegeplatzes stört weniger als erwartet und “Wilmas Brygga” lässt auf einen Aperol Spritz und das eine oder andere schöne Essen hoffen!
Zunächst gibt es ein Problem dahingehend, dass kein Stromanschluss in Bootsreichweite ist; da wir hier 3 Tage bleiben wollen, wäre Strom schon praktisch…!
Ich mache mich auf die Suche nach jemandem, der möglicherweise ein Verlängerungskabel hat und stoße auf einen hageren, schlecht gelaunten wirkenden Mitarbeiter der “Marina Fantasie”, der gerade in Aufbruchstimmung und vom Habitus eher abweisend wirkt, dann jedoch mit mir auf die Suche nach einem Verlängerungskabel geht und in einem unglaublich unaufgeräumten Wirrwarr einer großen Arbeits- und Bootshalle nichts findet…!
Dafür entdecke ich auf einem Arbeitstisch, unter Werkzeug, Material und Müll einen mir passend erscheinendes Kabel und der Hagere ist erleichtert, mir mit dem Kabel helfen zu können.
Ich bin schon ein paar Meter mit meinem Kabel unterwegs, da ruft er hinterher, ich solle mal zurückkommen: Das Kabel ist ziemlich “ranzig” andere hätten es längst weggeschmissen und deswegen möchte er es nochmal mit einem ebenso ranzigem Multimeter durchmessen und weist darauf hin, wo ich nach Möglichkeit es besser nicht anfassen solle und wenn dann die Polarität falsch ist und der Schutzleiter möglicherweise falsch angeschlossen ist kann ich das mir bestimmt umbauen!
Kann ich, ebenso wie ich überhaupt erst aus langjähriger häuslicher Übung das Kabel auf seinem Tisch überhaupt erst entdeckt habe!
Der kleine Hafen ist sonnendurchflutet und von hohen Schärenfelsen eingerahmt!
Hier werden wir uns wohl fühlen, wenngleich wir bereits kurze Zeit später feststellen, dass “Wilmas Brygga” ein offensichtlich sehr beliebter Ausflugs Spot ist:
Permanent reisen Familien mit Oma, Opa, kleinen Kindern, Hunden und alles was laufen kann mit kleinen Sportbooten an, machen fest, stürmen das Bistro und vergnügen sich bei Pizza, Fish n’ Chips, Eis und vielem anderem mehr, insbesondere Bier, Wein und anderen schönen Getränken.
Das jugendliche, sehr nette und bemühte Personal ist hoffnungslos überfordert aber irgendwie findet dann jede Bestellung letztlich den Weg zum Tisch und in den Bauch!
An unserem Liegeplatz dürfen wir liegen bleiben, in eine der vielen freien Boxen dürfen wir uns nicht verlegen, da dort ja jederzeit der Besitzer zurückkommen könnte…🤷♂️
Hat es hier mit der Buchung zwar geklappt aber es ist trotzdem völlig kryptisch, die Internetseite mit der Buchung soll wohl nicht wirklich funktionieren aber irgendwie interessiert es auch keinen ernsthaft!
Ein am nächsten Tag eintreffender und dann auf der anderen Stegseite liegender Däne führt Beschwerde über die Buchbarkeit, ohne dass man weiß auf welchen Platz man soll und über die freien Boxen, die laut seiner Kenntnis auf einer schwedischen Homepage unter den Liegeplatzinhabern in der Urlaubszeit getauscht werden, aber eben nicht für Gastlieger zur Verfügung stehen…
Nun gut, es hat trotzdem geklappt und abgesehen von dem Ausflugsrummel ist es hier ruhig und beschaulich.
Am nächsten Tag erkunden wir die Umgebung des Liegeplatzes und begeben uns zu Fuß etwa vier Kilometer in Richtung “Bassholmen”, einer wirklich sehr ansehnlichen “Vorzeigeschäre”, an der und in deren Umgebung man sich wirklich nicht satt sehen kann!
Von hier aus fällt unser Blick nochmal auf das am Vortag selbst befahrene Fahrwasser und uns stehen die Münder offen ob dieser so schönen Landschaft und Umgebung!
Am übernächsten Liegetag sattle ich das Fahrrad und erkunde nochmal die weitere Umgebung des Liegeplatzes.
Wie schon öfter bewährt, suche ich mir auf Google Maps schöne Strecken heraus und “kontrolliere” ab und zu, ob ich auch nicht vom Weg abgekommen bin; das klappt heute nicht wirklich: Die Straßen und Wege sind zum Teil so verwinkelt, dass man die eine oder andere Abzweigung gar nicht wahrnimmt.
Highlight ist der Rückweg: Hier soll laut Google Maps ein schöner befahrbarer Weg durch die Landschaft zurück nach Källviken führen: Den Weg finde ich nicht, weil ich drei Mal an dem nahezu unsichtbar im Wald verschwindenden “Weg” vorbeifahre.
Nach dem ich ihn nun gefunden hab mache ich mich auf diesen Weg, der zunächst noch einem Wanderweg, dann einem selten genutzten Wildwechsel immer ähnlicher wird…
Dafür tauche ich ein in eine naturbelassene ursprüngliche Landschaft, bin lange Zeit völlig allein und kein Mensch begegnet mir!
Zwischenzeitlich frage ich mich, ob der Weg nicht einfach im Nirvana endet, irgendwann wird aus dem “Wildwechsel” aber wieder ein kleiner Pfad, der dann in einen Feldweg mündet und mich letztendlich zum Ziel bringt…!
Bei den derzeitigen vorherrschenden heißem Wetter trotz des gelegentlichen Luftzug habe ich mir nach meiner Rückkehr auf die ELSE das erste schöne kalte Weizenbier des Tages redlich verdient!
Uli kocht wieder einmal vorzüglich, diesmal ganz vorzügliche “Portobello” – Burger: Die Portobellos sind optisch zu groß geratene Champignons, hier fast in jedem Supermarkt erhältlich und entwickeln beim Anbraten ein wirklich schönes pilziges Aroma!
Die Burger munden außerordentlich; auch wenn man für Burger nicht wirklich ein Rezept braucht, bleibt die stimmige Gesamtkomposition des Burgers Uli’s Geheimnis, an die sie sich beim nächsten Mal allerdings auch gar nicht erinnern wird….! 😀
Die ruhigen Tage in Källviken, ohne “Störungen” sind morgen vorbei, es wird in das nur 3.5 Seemeilen entfernte Lysekil gehen!
Die Eindrücke von Uddevalla bis Källviken: