Nach zwei Tagen Dauerregen mit ausgiebig Zeit für´s „Boatoffice“ hat sich Rostock im weiteren Verlauf sonnig und warm präsentiert, so dass wir – in Rostock schon fast Routine – das gute Wetter für „Sightseeing“, Shoppen, Essen und Trinken und Rumlaufen an der „Waterfront“ und in der Innenstadt genutzt haben.
Von den verschiedenen Marktständen an der „Waterfront“ haben dann auch wieder viele „flüchtige“ Mitbringsel (Lebensmittel) und „statische“, nämlich ein paar attraktive „Deko-Artikel“ für Haus und Wintergarten den Weg an Bord der Else gefunden.
Das ist das Gefährliche beim Reisen mit dem Boot: Es ist gefühlt unendlich Platz da für viele schöne Sachen, die man während des Verreisens sieht und gerne hätte und plötzlich hat…!
Laut Wetterbericht zeichnete sich optimales „Fahrwetter“ für die Etappe von Rostock nach Stralsund für den Mittwoch ab.
Uli war ob ihrer Erlebnisse von der ersten Etappe ein wenig vorgespannt, darum sind wir, der langjährigen Erfahrung folgend und auf ruhiges Wetter in den Morgenstunden spekulierend, bereits um kurz vor halb fünf Uhr morgens in Rostock aufgebrochen.
In der Tat präsentierte sich das morgendliche Wetter nahezu windstill und mit einer unnachahmlichen jungfräulichen Stimmung, die vielleicht ein bisschen durch die nachstehenden Bilder zum Ausdruck kommt!
Um es kurz zu machen: Die Fahrt von Rostock nach Stralsund, vorbei am Darßer Ort, am Darß entlang auf Hiddensee zu war wieder eines dieser unvergleichlich und unnachahmlichen schönen Bootserlebnisse: Ruhiges tiefblaues Meer, weit und breit kein anderes Schiff, in der Ferne der Darß und voraus und drumherum nur der Horizont, mehr geht wirklich nicht!
Das Gefühl und das Wissen, das die nächsten Menschen – mit Ausnahme der „Mitfahrer“ – mindestens die zehn Kilometer entfernt sind hat man an Land naturgemäß nicht und der weite ungestörte Rundumblick ohne jegliches die Augen störendes „Menschenwerk“ hat etwas unvergleichlich urzeitliches und ist nicht wirklich gut zu beschreiben aber sehr schön…!
Die mit 65 Seemeilen auch recht lange Etappe haben wir uns durch eine knappe Stunde Gleitfahrt mit 22 kn verkürzt, auch im Hinblick auf die ebenfalls langjährige Erfahrung „die frühe Else kriegt den Liegeplatz“, nämlich um die Mittagszeit in Stralsund…!
Die Mittagszeit ist traditionell die Zeit, in der die meisten (Segler) schon abgefahren sind und die, die zum Ziel wollen noch nicht da sind, üblicherweise trifft man also auf verwaiste Gastliegeplätze und hat die Qual der Wahl.
Das hat auch geklappt, allerdings war – coronabedingt ?! – viel mehr los, als uns aus vorangegangenen Besuchen in Strahlsund bekannt.
Auch der Hafenmeister hatte uns beim Anruf am Vortrag nach Belegung des Hafens empfohlen, möglichst früh anzureisen, da doch „offensichtlich alles auf dem Wasser ist was schwimmen kann…!“.
Erfreuliches Erlebnis am Rande : Der Hafenmeister war telefonisch nicht erreichbar und rief dann zurück und erkundigte sich nach unserem Begehr! Ein absolutes Novum in der Welt der Hafenmeister, vielleicht bahnt sich ein positiver Generationswechsel an…!
Stralsund ist immer wieder einen Besuch wert, „bahnbrechende“ neue Eindrücke gab es nicht, aber die alten wurden belebt und gefielen nicht minder (siehe auch hier…!).
Stralsund hatten wir nur für eine „Stippvisite“ für eine Übernachtung angesteuert und neben dem kurzen Stadtbummel die Zeit mit einem ausgiebigen „Hafenkino“ verbracht:
Gegenüber lag ein ältlicher o-beiniger „Salznacken“ mit seinem Segelschiff, der in einer noch nie erlebten Art und Weise pausenlos Jeden und Alles ansprach oder kommentierte und ungefragt seine vermeintlichen Weisheiten zum Besten gab, sogar über Funk sprach er Schiffe im Hafen an, verbunden mit einem permanenten Kopfschütteln und dann „tstststs…!“. Erstaunlich, dass er neben einigen Abfuhren aber offensichtlich dennoch ein ihn zumindest temporär befriedigendes Publikum für seine Belehrungen erhielt!
Andere begnügten sich mit offenkundigen Einschätzungen der Lage von Bord ihrer jeweiligen Schiffe oder, wie wir, einfach nur mit ungläubigem Zuschauen!
Warum ist das erwähnenswert: In mehr als mittlerweile 20 Jahren Boot fahren durfte ich noch nie eine derartige Häufung von unfreiwillig miterlebten Belehrungen und Fantasy-Geschichten erleben !
Zugegebenermaßen konnten wir uns den lautstarken Verkündigungen nur schwer entziehen und haben still und ungläubig „geglotzt“ und leider auch hingehört.
Am Donnerstag hat sich das Stralsunder Wetter wieder von seiner besten Seite gezeigt und wir sind gegen Mittag mit dem Ziel Greifswald weiter durch den Strelasund und den Greifswalder Bodden aufgebrochen.
Die Fahrt durch den Strelasund hat immer etwas von meiner geliebten Schlei, etwas großräumiger, aber mit „Fjord-Charakter“ mit schönen Ufern und Blickwinkeln!
Beim Verlassen des Strelasundes in Richtung Greifswalder Bodden gab es eine kleine Neuauflage von Ulis Befinden abträglichen Seegangs:
Auf dem „offenen“ Bodden nahm die Windgeschwindigkeit zu und erzeugte böse kleine Wellen, die Else wieder einmal wie ein junges Fohlen bocken und Ulis Gesichtzüge entgleisen ließen.
Um Ulis Leiden zu verringern, bin ich erst einmal eine Weile „gegenan“ und nicht in Richtung unseres Zieles gefahren, um die Welle und den Wind nur von vorne zu haben und somit nur zu stampfen anstatt auch noch zu rollen…!
Das ging solange gut, bis der anzulegende Kurs in die Einfahrt in den Ryck, dem Wasserweg vom Bodden nach Greifswald, dann schräg zu Wind und Welle führte:
Ab diesem Moment kam so viel Wasser ins Cockpit über, dass ich tatsächlich bis auf die Haut nass wurde und eine Ladung Wasser nach der anderen direkt durch das zum besseren „Ausguck“ durch das offen gelassene Guckloch im Verdeck ins Gesicht bekommen habe.
Wassersport pur…!
Uli starrte in Erwartung der Verschlimmerung ihres Zustandes „froschäugig“ in die Wellen und deren Gischt und erfreulicherweise gelang dann wider Erwarten das, was eigentlich nie klappt: Die Welle war nur böse, aber klein und so konnte tatsächlich das heftige Stampfen und Rollen durch Gas geben und anschließende Gleitfahrt deutlich entschärft werden. Üblicherweise ist bei größerer Welle keine Gleitfahrt mehr möglich, weil man glaubt, das Boot zerfällt in seine Einzelteile, hier war die Welle nur klein und giftig und beim Gas geben blieb sie förmlich unter uns.
Die Gleitfahrt haben wir dann noch bis kurz vor Wiek, dem Einlauf in den Ryck fortsetzen können und Ulis Stimmung hat sich unverzüglich stabilisiert…!
Im quasi Schritttempo (maximal 4 Knoten; ca. 7,5 km/h) ging es dann nach der stündlichen Brückenöffnung in Wieck in Richtung Greifswald, wo wir an einem sehr schönen telefonisch vorgebuchten Liegeplatz in der zentrumsnahen Marina Greifswald für die nächsten Tage festmachen konnten.
Ähnlich wie Stralsund gefällt Greifswald immer wieder sehr und so verbringen wir die nächsten Tage mit Rumlaufen, dem Besuch des polnisch „angehauchten“ Marktes und dem Besuch des possierlichen Tierparks, um dann die Else für eine Woche hier zurückzulassen und dann mit einer „neuen Crew“ von Greifswald nach voraussichtlich Usedom, in das so genannte Achterwasser mit vielen kleinen Häfen aufzubrechen in Richtung Swinemünde, Stettiner Haff und Stettin.
Ob das alles so kommt, wie geplant, bestimmen weiterhin Petrus, Neptun und Corona…!
Stand heute, 28.06.2020, ist allerdings der Besuch von polnischen Häfen als Tourist möglich.
Noch ein kurzer Eintrag für das „technische Logbuch“ zum Erinnern für später, nach dem Motto „Irgendwas ist immer !“:
Bereits bei der Überfahrt von Kappeln nach Rostock ist mir aufgefallen, dass das Funkgerät nicht mehr die Positionsdaten vom GPS erhielt. Hierbei handelt es sich um eine für den Notfall wichtige Funktion, wird doch damit beim Auslösen eines Notalarmes am Funkgerät dann gleich automatisch die aus vielen Zahlen bestehende Position des Havarieortes automatisch an die Seenotretter übermittelt und das ging nun offensichtlich nicht mehr…!
Ein kurzer telefonischer Kontakt mit meinem hoch geschätzten „Marineelektronikfritzen“ ergab, dass ein so genannter Konverter, der die Sprache des „alten“ Funkgerätes und der Fernbedienung für den Autopiloten in die neue BUS-Sprache für den jüngeren Plotter umsetzt, offensichtlich keine Lust mehr zur Übersetzung der unterschiedlichen BUS-Sprachen hatte.
Diese noch nicht mal zigarrengroße Verteilerleiste verfügt tatsächlich über eine Software, die sich, wie bei Softwaren üblich, gerne auch einmal aufhängen kann…
Für mich zu merken bleibt: Auch mit dem Abschalten des Plotters und der Navigationsinstrumente blieb der Konverter unter Spannung, diese ist erst mit dem Abschalten der Hauptschalter weg…
Nach dem Wiedereinschalten hat sich der Konverter wieder an seine ursprüngliche Aufgabe besonnen und die Positionsdaten artig an das Funkgerät und Daten der Fernbedienung des Autopiloten übermittelt. Herr Benkert hatte mir netterweise noch eine niedrigere Softwareversion als die vorhandene gemailt, diese soll ich bei Fortbestehen der Problematik mit Hilfe des Plotters auf den besagten Konverter aufspielen…!
Manchmal frage ich mich, wie man eigentlich Boot fahren soll, wenn man nicht so einen guten „Fernsupport“ wie den durch Herrn Benkert hat und ein gewisses technisches Grundverständnis mitbringt.
Eigentlich bleibt da bloß noch ein Ruderboot…
Wie gesagt, „Irgendwas ist immer…!“, erstaunlich nur die Kontinuität, in der Technik immer wieder Zuwendung einfordert…!
So mag ich denn lieber auch gar nicht davon reden, dass der LTE-Router und die an ihn über WLAN angeschlossene Webcam wirklich völlig anspruchslos ohne jegliches Zutun und ohne „Hafen-Wlan“ unaufgeregt ihren „Job“ machen, egal ob die beiden mal vom Stromnetz getrennt waren oder nicht, sie funktionieren klaglos und beständig!
In jedem Fall bleibt es spannend…!
Fortsetzung folgt, dann vielleicht schon auf polnisch…! 😊