Der “Endspurt” unserer Reise gestaltet sich entgegen unserer Reise nicht als “Durch- und Weiterreise” mit eher uninteressanten Häfen oder unattraktiven Orten, das Gegenteil ist der Fall :
Auch gegen Ende unserer Reise weckt jeder neue Hafen mit seinem individuellen Charme “gewaltsam” unser Interesse, obwohl unsere Aufnahmefähigkeit schlicht am Ende ihrer Kapazität angekommen ist…
Karlskrona ist eine historische “Marinestadt” mit Weltkulturerbestatus, auf einer Halbinsel angelegt und hat viele sehenswerte Ecken und wir verbringen dort gerne einen “Extratag”, zumal das Wetter auch sehr windig vorhergesagt ist.
Nach unserem Tag in Karlskrona brechen wir am frühen Morgen dort auf und wollen “am Stück” die Hanöbucht, etwa 55 Seemeilen, überqueren. Der Plan ist gut, Wetter und Welle moderat vorhergesagt und wir haben vor, uns die lange Strecke wie schon so oft mit etwa einer Stunde Gleitfahrt zu “verkürzen”.
Daraus wird nichts : nur im kurzen Bereich der Schären vor Karlskrona ist das Wasser noch ruhig, der Ausblick auf das offene Meer offenbart einen auffällig wellig “gezackten” Horizont und Wellen laufen auch schon in die Schären hinein…
Da Wind und Welle direkt von vorne kommen, bleibt das ganze zunächst gut erträglich, nur die Gleitfahrt muss wegen der zu erwartenden “Rummserei” ausbleiben…
Es kommt anders : etwa anderthalb Stunden nach der Abfahrt aus Karlskrona nimmt Wind und Welle in der offenen Hanöbucht weit über das vorhergesagte Maß zu und schon bald wird ELSE´s Vordeck von den Wellen komplett überspült…
Mehr geht immer : Eine weitere Stunde später sind die Wellen noch höher, die Rettungsinsel auf dem Vorschiff fungiert als Wellenbrecher, das Solarpanel verschwindet zeitweilig unter Wasser und die Welle bahnt sich über die Windschutzscheibe den Weg durch das Verdeck ins Cockpit..!
Alles was im Cockpit ist einschließlich uns wird nass, das Wasser läuft hinten wieder raus und die Sonne sieht strahlend zu !
Jetzt verstehen wir auch den Aufkleber an der Kabinentür : “Bei Wellenhöhen ab zwei Meter schließen”, das ins Cockpit eindringende Wasser läuft nämlich lustig weiter über den Niedergang in den “Salon”. Wir schließen die Kabinentür und so bleibt es wenigstens unten trocken..
Als Landratten fühlen wir uns nicht wirklich wohl dabei, zumal noch etwa fünf Stunden dieser “Reiterei” bis nach Simrishamn vor uns liegen…
Stunde um Stunde vergeht quälend langsam und doch irgendwie schneller als erwartet, Bosman hat alle Hände voll zu tun um die Wellen auszusteuern, ich bin heilfroh, dass er das wieder kann..! Er steuert wie ein Irrer, das Steuerrad dreht sich wie eine Reifen und ich stelle seine “Dämpfung” etwas anders ein, woraufhin er immer noch artig Kurs hält, aber nur noch etwa halb so viel “kurbeln” muss…
Gefühlte Tage später erreichen wir patschnass die erste Ansteuerungstonne von Simrishamn, zwei Segler kämpfen sich unter Motor mit ähnlichen “Problemen” wie wir, nämlich eher ein U-Boot zu sein als ein “normales” Schiff, ebenfalls in Richtung Simrishamn.
Meine Theorie, dass es in Reichweite der Küste aufgrund des ablandigen Windes wohl ruhiger sein wird, löst sich in Wohlgefallen auf, erst ganz kurz vor der Hafeneinfahrt wird es etwas besser und Uli kann raus, um Fender und Leinen vorzubereiten.
Zum Glück ist viel Platz zum Anlegen da, bei dem starken Seitenwind klappt das Anlegen aber erst beim zweiten Versuch und etwas schief.
Nunmehr machen wieder alle beim Helfen mit und so kommt eine gestresste Crew nach der anderen an und freut sich über helfende Hände, um dann bei zweiten bis vierten Versuch “in die Box” zu kommen…
“Uffz, dass war gar nicht nett”, mit dieser Stimmung kommen wir nach dem Festmachen salzwassergetauft mit einem “Einlaufbier” zur Ruhe.
Ein paar Stunden später ist der Spuk vorüber, es kehrt vorübergehend fast Windstille ein, um dann nachts und am nächsten Tag wieder richtig “loszulegen”.
Wider Erwarten belohnt Simrishamn mit einer kleinen netten Innenstadt, einer Buchhandlung, in der Uli sich mit neuen deutschsprachigen Büchern versorgen kann und eine geniale Räucherei garantiert ein überaus maritimes Abendessen mit kalt- und warmgeräucherten Fischen, verschiedensten Fischpasteten, Muscheln, Krebsen und vielem anderem MEER…
Der “Wartetag”in Simrishamn vergeht schnell und entspannt, ich schöpfe noch ein wenig Wasser aus dem Motorraum, dass während unserer stürmischen Überfahrt den Weg irgendwie dorthin gefunden hat und wir gehen für unsere Verhältnisse früh gegen Mitternacht schlafen, weil für den Folgetag halbwegs ruhiges Wetter vorhergesagt ist und wir dann weiter wollen.
An diesem Tag hat kaum jemand den Hafen verlassen, alle laufen hin und her, “pütschern” an ihren Schiffen und starren ständig gen Himmel und in alle Himmelsrichtungen…
Gefühlt wäre der Wind gar nicht so stark, wenn er nicht ständig in den Wanten der Segelschiffe heulen und Sturm vermitteln würde…
Am nächsten Morgen sind wir gegen halb acht “seeklar”, entgegen jeglicher bisheriger Erfahrung sind aber auch schon alle Segler auf den Beinen und verlassen den Hafen wie die Perlen auf der Kette…
“Hm, wenn die auch alle nach Ystad, dem nächsten sinnvollen Tagesziel in Richtung Deutschland wollen, ist es da sicherlich rappelvoll” befürchten wir, blasen das hier geplante Tanken kurzerhand ab und reihen uns in die auslaufenden Segler ein…
“Die frühe ELSE fängt die Mole” ist unser mittlerweile langjährige durchgängige Erfahrung und schon bald nach der Hafenausfahrt geben wir Gas und überholen etwa zehn Segler.
Alle sind unterwegs um Schwedens Südspitze in Richtung Westen, nur einer fährt in Richtung Bornholm…
Je mehr man um das “Kap” herumkommt und Richtung Westen fährt, umso stärker werden wieder die nun wieder genau von vorne kommenden Wind und Wellen und wir beenden unserere Gleitfahrt, vor uns kein anderes Schiff mehr. Es bleibt “kommod”, die Wellen gut erträglich, wir sind nur ein bißchen übersensibel geworden gegenüber ganz anderem als vorhergesagtem Wetter bzw. “zu kurzen Zeitfenstern” mit guten Bedingungen…
Bei mal wieder strahlendem Wetter mit “Sicht von Pol zu Pol” passieren wir die sich landschaftlich zunehmend verändernde schwedische Südküste, kahle Steilküsten, Wald und Strände wechsel sich ab und in der Ferne können wir am Horizont Bornholm ausmachen.
Noch vor zwölf Uhr Mittags erreichen wir Ystad und kommen in einer modernen aber trotzdem schönen und fast leeren Marina an.
Um es kurz zu machen : Was hat Ystad wohl oder wie ist es ? Wieder einmal eine wirklich sehenswerte hübsche Innenstadt mit einem Kloster, schöne heimelige Fussgängerzonen mit vielen schönen Häusern, alles in einem liebevollen blumenreichen grünen “Ambiente”…
Es macht Spaß zu bleiben, und da der Freitag eh eher windig vorhergesagt ist, vergessen wir unseren “Stalldrang” und bleiben einen Tag…!
Gegen Nachmittag und Abend füllt sich der Hafen mit den aus Simrishamn und Karlskrona bekannten Schiffen.
Der Freitag fällt wettermäßig wieder anders aus als vorhergesagt, schon jetzt ist es sehr ruhig und unserer Weiterfahrt, die uns am Samstag etwa fünfzig Seemeilen von Ystadt nach Klintholm auf die Insel Møn führen soll, steht zumindest derzeit nichts im Wege.
Ein letztes Mal auf dieser Reise liegt ein relativ langes “offenes Seestück” vor uns und die Summe der insgesamt auf unserer Reise gemachten Erfahrungen lässt die gesunde Skepsis vor dem Verlauf des “Seetages” vollends erst weichen, wenn man sicher im Zielhafen liegt.
Durch den Wind der vergangenen Tage ist die See ordentlich “durchmischt” worden und die Wassertemperatur von fast 20 auf 15 Grad gesunken, keine schlechten Voraussetzungen für Seenebel…
Heute Morgen war es schon ziemlich diesig…
Hier gibt es keine Schären und ihre Felsen, dafür aber viele Fähren…
Es bleibt aufregend…!
Auf Møn sind wir sehr gespannt, haben wir doch von Anke schon viel Schönes darüber gehört und so passt es ganz gut, dass der Wind am Sonntag wieder zunehmen soll und wir bestimmt einen Tag bleiben “müssen”…
Im Gespräch mit einem dänischen Seglerpaar erfahre ich noch, dass es in Klintholm keine Probleme mit Liegeplätzen geben dürfte, O-Ton “the rushhour is over for this year” und sie empfehlen dringend den schönen Weg durch die dänischen Inseln zu fahren anstatt “aussen rum”.
Sieben Länder und 36 Häfen liegen dann hinter uns, vor uns “nur noch” Dänemark !
Bilder folgen…