Kalmar liegt hinter uns, vor uns der südliche Teil des Kalmarsundes, backbords die Südspitze Ölands, steuerbords das schwedische Festland.
Bosman steuert wieder !
In Kalmar hat er einen neuen Antrieb bekommen und nun bin ich im wesentlichen “arbeitslos” und kann mal wieder während der Fahrt schreiben…
Die Bootssaison in Schweden geht zu Ende, die Gastliegeplätze in Västervik sind fast verwaist und wir bekommen ein “special offer”, ” two nights for the price of one”…
Die Fahrt von Arkösund nach Västervik hat uns noch kurz durch ein enges Schärenfahrwasser geführt, der “Rest” war, wie auch jetzt fast durchgehend, “offene” Seestrecke, auf der man das eine oder andere Mal einer Tonne begegnet oder, unweit eines Robbenschutzgebietes der Robbe vom Dienst in Form eines aus dem Wasser guckenden uns musternden runden Kopfes…
Västervik ist eine unspektakuläre schwedische Kleinstadt, der wir, weil irgendwie träge, trotzdem einen Tag widmen und ein nettes Stadtzentrum mit einen schönen Kirche mit einer “gesprächsbereiten” deutschsprachigen Küsterin vorfinden.
Am nächsten Tag wollen wir weiten nach dem laut Hafenführern noch unspektakulären Oskarshamn. Da das Wetter aber überaus “fahrbar” ist und zwischenzeitlich telefonisch das Eintreffen des neuen Antriebes für den Autopiloten bestätigt ist, entschliessen wir uns trotz des eher späten Aufbruchs die insgesamt etwa 80 Seemeilen nach Kalmar durchzufahren.
Etwa auf halber Strecke passieren wir die sich für diese Region mit fast neunzig Metern hoch aus dem Meer aufragende “Bla Jungfru”, eine unbewohnte, geschützte Insel, die “nur” Flora und Fauna vorbehalten ist.
Gegen halb acht Uhr Abends und nach einer die Strecke verkürzenden Stunde Gleitfahrt kommen wir im Gasthafen von Kalmar an und finden einen schönen Liegeplatz.
Schon von weitem macht Kalmar mit einem schönen Schloss und einem Dom auf sich aufmerksam und in unmittelnarer Nähe des Liegeplatzes liegt ein lebendiges, schönes Stadtzentrum. Einmal mehr auf unserer Reise, zwischenzeitlich der 33. Hafen, beschliessen wir, in Kalmar nicht nur Bosman wiederzubeleben, sondern auch diesen Hafen nicht nur als “Durchreisehafen” zu verstehen und Kalmar zu erkunden…
Durchreise : Zugegebenermaßen ist der “Dampf” ein wenig raus : Wir haben “zu viel” erlebt und gesehen, unsere Köpfe sind schlicht voll und unsere Aufnahmefähigkeit mittlerweile etwas “vermindert”…
Die sich unwiderruflich dem Ende nährenden drei Monate des “Baltic Dream” lassen erste Überlegungen zur “sinnvollen Einteilung der Reststrecke” entstehen, damit wir in der uns noch zu Verfügung stehenden Zeit “stressfrei” nach Kappeln kommen.
Die “kulturellen und landschaftlichen Höhepunkte” in Form der Hauptstädte des Baltikums, Helsinki, die finnischen und schwedischen Schären liegen hinter uns und sind einer nach dem bisher erlebten eher eintönigen Küste gewichen, die vor uns liegenden Häfen möchte man laut Beschreibung zum Teil eher auslassen und so stellt sich bei uns etwas “Durchreisegefühl” und ein gewisser “Stalldrang” ein…
Kalmar ist da eine willkommene Abwechselung. Am Tag nach unser Ankunft wird der neue Antrieb für Bosman eingebaut, nach einer halben Stunde ist alles wieder gut und Bosman kann wieder lenken.
Wir besichtigen begeistert das fantastische Schloss von Kalmar, schauen dem Treiben des Kalmarer Stadtfestes zu, betrachten den Dom von innen und aussen, kaufen zu Essen und anderes ein und freuen uns zum ungezählten Male über das warme und sonnige Wetter auf unserer Reise und unser diesbezügliches unverschämtes Glück…
Am Abend bereiten wir den Kurs des kommenden Tages vor und letztlich findet an Schwedens Südküste einen “Weichenstellung” für den Heimweg statt : Entweder rüber nach Bornholm, weiter nach Rügen, Rostock usw. oder eben die vermeintlich und voraussichtlich eher unantraktive schwedische Südküste..
Da die Wettervorhersage “indifferent” ist, entscheiden wir uns erst einmal für Karlskrona, die Strecke nach Bornholm mit ca. 90 Meilen ist uns anbetracht des zu erwartenen Wind und Welle von vorne zu lang und in Karlskrona wird man sich während der zu erwartetenden Wartezeit auf ruhigeres Wetter “besser beschäftigen” können. Und von Karlskrona aus bleibt der Weg sowohl über Bornholm als auch über Südschweden offen.
Das Stadtfest zeigt Folgen : Bässe wummern von den Openair-Bühnen herüber, kreischende Mädchen- oder Frauenstimmen von den “Fahrgeschäften”, hektisch-aufgedreht mit Getränkedosen in der Hand hin- und herlaufende überwiegend jugendliche Menschen, um Mitternacht wird es allerdings schon irgendwie ruhig und am nächsten Morgen hat jemand vor ELSE auf den Steg gekotzt…Besser dahin als auf ELSE..
Um neun brechen wir auf, tanken noch voll -das Rückrechnen des Tankinhaltes über die Betriebsstunden und die Verbrauchsanzeige passt und bewährt sich, der defekte Tankinhaltsanzeiger stört so gesehen nicht wirklich- und nehmen Kurs durch den Kalmarsund auf Karlskrona..
Nach Verlassen des kurzen Fahrwassers vor Kalmar haben wir achtern viele Seemeilen lang Rückblick auf die Kalmarsundbrücke und das Schloss von Kalmar. Beides versinkt irgendwann im Meer…
Die letzten Wölkchen verziehen sich und stundenlang steuert uns Bosman stoisch auf Südkurs an die südöstliche Spitze von Schweden.
Fast alle uns entgegenkommenden oder auf gleichem Kurs fahrenden Segler motoren, der Wind genau von vorne bzw. von hinten scheint ihnen nicht zu gefallen…
Es motoren überhaupt auffallend viele Segler, auch sie sind an die Distanzen zwischen den sinnvoll anzulaufenden Häfen mehr oder weniger gebunden und wenn der Wind in Stärke und Richtung ungeeignet zur Überwindung dieser Distanzen ist wird eben unter Motor gefahren und aus einem Segelschiff ein Motorboot.
Das ändert nichts daran, dass sich die Mehrzahl insbesondere der deutschen Segler als die besseren Menschen fühlt und mit wieder zunehmender Anzahl deutscher Segler bekommt man dies als Motorbootfahrer zu spüren. Das “Zweiklassendenken”, zweieinhalb Monate war es kein Thema, beginnt wieder, wie geschrieben, ausgiebig gelebt durch deutsche Segler.
Es fängt auch wieder an, dass man sich manchmal für seine “Landsleute” aus vielerlei Gründen “fremdschämt”…
Wir werden weiterhin Seglern, gleich welcher Nation, beim Anlegen helfen, genau so, wie uns viele Segler Hilfe anbieten…
Es fällt nur einfach auf, dass ein paar hundert Kilometer nördlich der Umgang zwischen den “Bootspezies” ein anderer war und nunmehr, im offensichtlichen “Haupteinzugsgebiet” deutscher Segler, der Kleingeist wieder so gepflegt wird, dass sich die Schweden offensichtlich genötigt fühlen, in deutscher Sprache “Hinweise” über das was man tun und nicht tun soll zu verfassen und aufzuhängen..
Um Missverständnissen vorzubeugen : Es geht nicht um alle Segler, aber um viele..!
Um (deutsche) Motorboote geht es nicht, ausser ELSE gibt es hier keine…
Kurz vor Erreichen der Südspitze Schwedens fahren wir ein letztes Mal in Schären ein, in den “Karlskrona Skärgard” und fahren auf einem Seglern wegen der geringen Fahrwassertiefe vorenthaltenen Fahrwasser durch die Schären vor Karlskrona, die ein ganz “anderes Gesicht” als alle bisher in Finnland, Aland und Schweden erlebten Schären haben : Sie sind flacher, “sanfter”, haben manchmal etwas von der Schlei und so sieht man auch mal die eine oder andere “Schärenkuh”…
Zwischen den Schären spüren wir den zwischenzeitlich deutlich zunehmenden Wind nicht so und die “Schärennavigation” geht uns mittlerweile “leicht von der Hand”, obwohl auch hier wieder “tausend Tonnen” zu beachten sind und neben dem Fahrwasser nach wie vor zum Teil nur knietiefes Wasser mit Felsen lauert…
Nach etwa zweistündiger Fahrt durch den “Karlskrona Skärgard” erreichen wir den Gasthafen von Karlskrona und finden eine freie Box neben einem deutschen Segler.
Wir können trotz des Seitenwindes gut ohne fremde Hilfe anlegen.
Wir legen rückwärts zwischen zwei der hier üblichen schwimmerbestückten Metallprofile, die am Schwimmsteg befestigt sind, an.
Die Metallprofile sind im Gegensatz zu “Fingerstegen” nicht begehbar, zumindest nicht in meiner Gewichtsklasse, sie versinken am schwimmerbestückten Ende einfach…
Zum endgültigen Festmachen der Bugleinen muss man sich bäuchlings auf dem Bug liegend unter der Reling durchquetschen, um die “Festmacheösen” auf dem Metallprofil mit der Leine zu erreichen. Uli muss dabei ihre “Oberweite” sortieren und “aussenbords hängen”, ich löse bei dieser Aktion beinahe meine Automatikschwimmweste aus und komme aus meiner “Aussenbordposition” nur mit Mühe auf das Schiff zurück…Wir finden das alles ziemlich lustig..!
Auf dem deutschen Segelschiff sitzt ein feister, eine bonbonfarbene rosa Flüssigkeit in sich hineinschüttenden Segler, der seinen vogelspinnenartig behaarten, sonnengegerbten Körper sonnt. Abfällig beobachtet er unser Anlegemanöver und schafft es dabei, uns keines Blickes zu würdigen, geschweige denn Hilfe anzubieten…
Seine dümmlich wirkende Frau mit dem Habitus einer gealterten Barbie hilft ihm dabei nach Kräften…
Als kurze Zeit später an der anderen Stegseite ein britischer Segler anlegt, gerät die beharrte wabernde braune Masse erstaunlich behände in Bewegung, um dem “richtigen” Bootsfahrer beim Anlegen zu helfen…
Unser “unter der Reling hindurchquetschen” ist offensichtlich ein übliches Procedere, wir beobachten es später mehrfach und helfen einem in der Box neben uns anlegenden älteren Schweden, seine Leinen auf der Öse zu belegen.
Beim freundlichen Hafenmeister erhalten wir Prospekte über Karlskrona und wieder löst sich der “Durchreisegedanke” in Wohlgefallen auf :
Karlskrona ist trotz des nicht wirklich attraktiven Gasthafens eine offensichtlich sehenswerte Stadt (“Sweden at its best” wirbt der Prospekt…) und wir sind zum gefühlt tausendsten Mal gespannt darauf, was uns erwartet !
Wir werden Zeit dazu haben, für die nächsten Tage ist fast durchgängig starker Wind vorhergesagt, der unseren “Stalldrang” auf natürliche Weise bremst…
Ein paar Eindrücke, es gibt kein Wlan im Hafen von Karlskrona, darum wie so oft unsortiert aber kommentiert…: