In Mariehamn brechen wir bei ruhigem, bewölktem Wetter auf in Richtung Schweden. Von hier aus sind es nur etwa 40 Seemeilen bis zum nächsten sinnvoll anzulaufenden Hafen.
Kurz nach Mariehamn ist das Schärenfahrwasser zu Ende und wir erreichen zusammen mit zwei Seglern die “Alandsee” und nehmen Kurs auf Schweden mit dem Ziel Furusund. Eine kurze Welle von vorne nimmt uns etwa einen Knoten an Geschwindigkeit.
Die Sonne kommt heraus und vertreibt wie auf unserer Reise fast durchgängig üblich die Wolken schnell und restlos.
Ich kämpfe ein wenig mit dem Weingenuss vom Vorabend und den nur vier Stunden Schlaf -einfach keine Lust gehabt in die Koje zu gehen, zu gemütlich die z.T. regnerische Nacht und das langsame hell werden – und Uli “kämpft” mit Viking, Eckerö und Silja, so heißen die Fährlinien, deren Schiffe ihr bedrohlich nahe kommen, während ich auf der Sonnenliege achtern in der Sonne “chille” und schlummere…
Gegen vierzehn Uhr verstirbt plötzlich “Bosman”, unser Autopilot; ohne Vorwarnung stellt er seinen Dienst ein, das Steuerrad wird “weich” ohne seine feste Hand und ELSE läuft aus dem Ruder…
Bosman ist nicht alleine tot, auch unsere Tankanzeige steht seit zwei Tagen defekt auf “leer”…
“Shit happens”, ich bin einmal mehr froh, dass etwas “Unwichtiges” ausfällt, Bosman ist letztlich nur Bequemlichkeit und “Erleichterung”, den Tankinhalt können wir nach dem Volltanken in Mariehamn errechnen aus der Durchflussanzeige und den Betriebsstunden und bei der derzeitigen Tankstellendichte gibt es durch die eine oder andere Ungenauigkeit dabei keine Probleme…
Und fortan werden wir ELSE wie die ersten Jahre halt einfach “händisch” steuern…
Schon bald stellt sich heraus, dass wir das Geradausfahren ohne Landsicht ein bisschen verlernt haben und Bosman uns doch mehr fehlt als erwartet…
Schweden und die ersten Schären des Stockholmer Schärengartens kommen in Sicht und die Seezeichen und die Betonnung weichen von denen in Finnland und Aland ab und sind zunächst im gleissenden Gegenlicht kaum auszumachen und / oder nicht eindeutig zu identifizieren (“grüne Tonne vor grünem Wald…!”)…
Ich kann kaum mitwirken beim Navigieren, weil ich mit Kurshalten beschäftigt bin, was uns bis zu seinem Ende Bosman abgenommen hat…
Bald darauf und viele bedrohlich im Fahrwasser schnell nah kommende Stockholmfähren später und wieder in “unserer” Zeitzone” “europäische Sommerzeit” zurück erreichen wir den Sportboothafen Furusund und machen zunächst längsseits hinter Heckbojen fest.
Ein jugendlicher, überaus freundlicher Hafenmeister bittet uns die Heckbojen zu benutzen, da sicher noch andere Boote kommen und wir längsseits natürlich zu viel Platz beanspruchen. Er bietet umfangreiche Hilfe mit seinem Schlauchboot an, aber wir kommen mittlerweile ganz gut klar mit den Heckbojen und er hilft “nur” beim Festmachen der Bugleinen…
Furusund ist Schweden pur : Bullerbü-Idylle wohin man sieht, heimelige “schärige” ruhige Stimmung und wir beschliessen, einen Tag zu bleiben, damit ich mich mit dem toten Bosman und der Tankanzeige beschäftigen kann.
Beides führt trotz Hingabe zu keinem Erfolg, ausser dass ich feststelle, dass Bosman ELSE`s Kurs mit Hilfe eines kleinen 12-Volt Motors augenscheinlich chinesischer Herkunft gehalten hat…
Der funktioniert auch noch, lediglich eine Magnetkupplung und eine Welle im Stellantrieb des Autopiloten hat ihren Geist aufgegeben und angesichts der Mechanik, die eher an eine Kuckucksuhr erinnert, wundere ich mich, dass sie diesen “Job” überhaupt so lange durchgehalten hat…
“Raymarine, world`s leading manufacturer …” in Sachen Marineelektronik lässt grüssen…
Egal, wir brauchen den Autopiloten nicht zwingend und meine “Bodenmannschaft” in Form meines lieben Bernd hat eine Werkstatt in Kalmar herausbekommen, die uns möglicherweise rechtzeitig zu unserer Ankunft dort eine neue “Kuckucksuhr” bestellt. Eingebaut wäre sie schnell und dann hat Bosman wieder eine “Hand” zum Lenken und wir Muße zum Chillen und Schreiben auf den langen anspruchslosen Seestrecken an Schwedens Südküste und den Küsten von Dänemark…
Zunächst bleibt es anspruchsvoll :
Bei schönstem Fahrwetter -wie sollte es anders sein- brechen wir gegen halb neun in Furusund auf mit dem etwas vierzig Seemeilen entfernten Tagesziel Dalarö…
Eine unglaublich beeindruckende Fahrt durch den fast als paradiesisch-lieblich zu beschreibenden Stockholmer Schärengarten ist das Geschenk des Tages, Schären klein und groß, mit Wald, ohne Wald, schroff und weich zugleich, Häuser und Häuschen auf den Schären hier und da, “Vogelschären”, auf denen Kormorane stoisch ihre Flügel zum Trocknen ausbreiten, Schilf, Buchten und Sunde ohne Ende…
Ein unglaubliches Licht und blaues Wasser, das “Rotbraungrau” der Schären und das üppige Grün, fast windstill und warm…!
Ein knallblauer Himmel, ganz entfernt am Horizont getupfte weisse Wölkchen…
Zunächst sind wir fast alleine, haken Tonne um Tonne, Seezeichen und kleine Leuchttürme auf den Papierseekarten ab – der Maßstab ist auf 1 : 25000 gestiegen und man braucht spätestens etwa alle dreißig Minuten eine neue Seekarte – und vergleichen mit dem “recommanded track” des Plotters, alles passt…
Im Laufe des Vormittags nimmt die Zahl der Sportboote – Segler wie Motorboote ! rapide und massiv zu, ganz Stockholm scheint auf dem Wasser zu sein, fast ausschliesslich Schweden, ein paar Finnen und an einer Hand abzuzählende deutsche Segler…
Schwedische Motorbootfahrer kennen offensichtlich nur Gleitfahrt und so ist der Schärengarten bald von Heckwellen der Motorbootfahrer aufgwühlt…
Alle Segler und wir in Verdrängerfahrt mit acht Knoten werden durchgeschüttelt, es scheint aber ein übliches “Procedere”, “Hackfressen” wegen der Motorbootwellen wie in Deutschland sind nicht zu sehen…
Gegen 15:30 kommen wir in Dalarö an und machen längsseits an einem Schwimmsteg am Ortszentrum neben dem Fähranleger und – wo wohl noch wie schon so oft – der Tankstelle fest.
“Mehr Schweden geht nicht” war der Titel eines Posts in unserem “alten” ELSE-Blog anläßlich unserer Göteborgfahrt in 2010; spätestens jetzt wissen wir : “Es geht noch mehr Schweden”, umtriebiges skandinavisches Hafenidyll, Holzhäuser und Villen in fast bilderbuchartiger “Schwedenoptik” und ein possierliches Örtchen, dass im “Hafenführer” eher schlecht weg kommt…
Wir kaufen noch ein bisschen zu Essen ein, unter anderem Fisch und werden wie schon in Furusund fast arm dabei, kehren zu ELSE zurück und beobachten das Ausklingen des schwedischen “Schärenfreitagnachmittags”.
Wie schon in Furusund – dort gibt es auch eine Tankstelle- herrscht auch an der Tankstelle in Dalarö ein Kommen und Gehen -die “Raserei” fordert ihren Tribut- und es wird getankt, als ob Benzin und Diesel keine endlichen Stoffe sind…
Alt und jung, Babys in Windeln und Schwimmweste, Senioren, schöne und häßliche Menschen, Oma und Opa, Enkel und Geschwister, Verwandte, Hunde groß und klein mit Schwimmwesten bevölkern Motor- und Segelboote, es wird eingekauft in dem kleinen Laden an der Tankstelle, Bier, Essen usw. und ab gehts wieder aufs Wasser..
Zusammen mit den Fähren zwischen den Schären ergibt das alles einen dauernden Schwell und ELSE und alle anderen Boote am Steg schaukeln wie die Schaukelpferde.
Gegen Abend ist der Spuk vorüber, der Sund wird spiegelglatt und in ein samtweiches Abendlicht getaucht.
Ich rufe noch im “Gästhamn” Arkösund an, unserem nächsten Tagesziel auf unserem Weg durch die Schären nach Süden und bitte um Reservierung eines Längsseitsliegeplatzes, was nach Auskunft des Hafenmeisters kein Problem ist…
Ein wenig beschäftigen wir und noch mit der spannenden Beobachtung eines “Paares in den besten Jahren” auf einem “obercoolen” offenen Sportboot:
Den Habitus eines “blind date” vermittelnd, können uns nicht einigen, ob es bei den Beiden stylish gekleideten um das Ende oder den Anfang einer Beziehung geht, etwa “Eherettungswochenende”, Folge von “e-darling” oder ob ein plastischer Chirurg mit seiner Oberschwester am Werk ist.
Nach allerlei Gebalze, Getändel und ausgiebigem Zähneputzen verschwinden die beiden in der Schlupfkajüte. Eine erwartungsschwangere Aura umhüllt das Boot..
Das strahlende Wetter am nächsten Morgen reicht nicht aus, um irgend etwas nächtlich offensichtlich Misslungenes wett zu machen : Er macht sie beim Ablegen für das aus seiner Sicht wohl stümperhafte Verhalten an, sie wendet ihre geschminkte “Hackfresse” demonstrativ ab und ab geht´s in Gleitfahrt in die Schären…
Die Fahrt von Dalarö nach Arkösund ist zweigeteilt, nämlich in eine ruhige Schärenfahrt, auf der man sich nicht sattsehen kann und ein entgegen der Wettervorhersage mit heftigem Wind und böser Welle “garniertes” offenes Seestück, auf dem meinem “Seaman” kotzübel und ELSE von Wellen überspült wird.
Uli feiert ihren Geburtag “grün”, mit Vomex und dem Gesicht nach unten, dass hilft ihr erstaunlicherweise nicht zu sterben und ich sehe vor dem Bug der ELSE abwechselnd nur Himmel oder Wellenberge…! Selbst seitlich schwappt die Welle auf`s Gangbord, alles wird nass, ein Bullauge ist undicht und nichts bleibt an seinem Platz…!
Das alles findet bei strahlender Sonne statt, dennoch, Spaß macht es nicht und ich habe Schiss, obwohl es objektiv wohl nicht gefährlich ist. Nach dreistündiger “tagelanger” Fahrt durch den blaugrünweissen Hexenkessel sichte ich die erste Fahrwassertonne des Fahrwassers nach Arkösund und die Spannung löst sich, die Welle wird durch den Richtungswechsel etwas erträglicher und mein “Seaman” erwacht schwach zum Leben, um beim bevorstehenden “Fertigmachen” zum Anlegen wieder mitzuspielen…
Arkösund belohnt für das Durchlittene, zwischenzeitlich sind wir schon in Västervik oberhalb der Insel Öland angekommen und haben in Kalmar einen neuen Antrieb für den Autopiloten bestellt, der Mittwoch eintreffen soll. Bosman fehlt uns mehr als gedacht…
Hier ein paar “unsortierte” Eindrücke :